Rezensionen
Des Menschenfeinds letzter Trumpf
Karin Schütze, OÖN, 02.12.2017
Harald Gebhartl inszeniert Molieres „Der Menschenfeind" am Theater Phönix
Pfui Teufel, hasst er diese Schleimer, feigen Phrasendrescher, Hirnewäscher! Die ganze Gesellschaft ist ihm „nur noch eine Qual", diesem Herrn Moliere. Den Autor, selbst macht Regisseur Harald Gebhartl in seiner Fassung zum „Menschenfeind", mit auf das Heute zugespitzten Reimen. „Fake News" sind der Klatsch und Tratsch, mit dem sich die Haute Volée bei Laune hält. Jedes Lächeln ist ein Zähnefletschen in der perfekt getonten Gesellschafts-Choreografie, wo ein höfisches Tänzchen zum erbitterten Zweikampf wird und den Seitenblicke-Voyeuren bestes Popcorn-Kino liefert.
Frische Spiellust
Man versteht's und leidet mit diesem Moliere, den Markus Hamele inbrünstig am Schein des schrillen Seins verzweifeln lässt. Ausgerechnet die am hellsten Strahlende hat es ihm angetan: Anna Maria Eder hat als sich lasziv zierende Célimène nicht nur einen an der Angel. David Fuchs zieht als Oronte seine schimmernde Schleimspur über das Society-Parkett. Felix Rank verbietet sich als erfahrener Salon-Löwe Philinte das Brüllen. Marion Reiser zieht als machtgeile, sinnliche Eliante die Fäden. Choreograf Daniel Feik leiht Gerti Tröbingers Puppenherren in den Nebenrollen seine Stimme. Dieses frische, spielfreudige Ensemble ist ein Genuss. Ein Sinnbild der Aufgeblasenheit ist Gerald Koppensteiners aufklappbarer Luftpolster-Würfel, von Michaela Mandel mit Lounge-Sesseln in einen kühlen Salon verwandelt. Über allem schwebt Katharina Anna Loidls Rasierklingen-Luster. So widersprüchlich wie Schein und Sein sind die schlichte Eleganz von Elke Gattingers Cocktail-Kleidchen und die barocke Perückenpracht. Stimmige Details und Regie-Einfälle lassen das ins Schrille aufgezogene Räderwerk wie geschmiert schnurren. Am Ende wird alles gut, Moliere und Célimène entsagen allem Glamour und - Stopptaste, Rücklauf. Am Ende hält es Célimène mit Edith Piaf und Moliere sein Feuerzeug in die Luft. Es gibt nichts . zu bereuen an diesem Abend.
Lust am Lästern und viel Luft um die Laster
Mariella Mooshammer, Neues Volksblatt, 02.12.2017
Premiere: Theater Phönix zeigt Molières „Der Menschenfeind"
Die „niederträchtige Elite" bringt ihn in Rage. Molière bitzelt und wütet, weil einfach niemand seinen ehrlichen und wahrhaftigen Weg gehen will. Die Gesellschaft, fein agiert sie nicht, lebt in ihrer eigenen Luftblase, von draußen kommt nur manchmal Moralapostel Moliere. Theater-Phönix-Chef Harald Gebhartl hat sich Molière „Der Menschenfeind" angenommen, eine neue Fassung mit dem Untertitel „Wie Herr Molière zum Mörder wurde" geschaffen und die Regie des Stückes übernommen, das am Donnerstag Premiere feierte. Zum Titelhelden machte er Autor Molière selbst. Gebhartls Molière ist, es ist nicht anders zu sagen, eine arme Sau. Die Erkenntnis, dass die Menschheit zutiefst verkommen ist, zerreißt ihn fast. Keiner will sich seinem Ideal einer ehrlichen Welt unterwerfen. Und wäre das nicht schlimm genug, verliebt er sich just in eine der Hauptakteurinnen des Intrigantenstadels, in die reiche Witwe Célimène.
Der aussichtslose Kampf eines wahren Wutbinkerls
Wie einen Fremdkörper - auch optisch - lässt Gebhartl Molière in die Welt des Scheins eintauchen. Die ist optisch hervorragend dargestellt, mit Luftpolstern aufgeblasen und verschließbar (Bühne: Gerald Koppensteiner, Innenraumdesign: Michaela Mandel). Markus Hamele gibt als Molière ein wahres Wutbinkerl, das einen aussichtslosen Kampf durchmacht. Er ist das perfekte Gegenstück zu der völlig überdrehten und eskapistischen Lästerschwestern-Runde rund um Célimène. Anna Maria Eder und Marion Reiser als Eliante sind ein herrliches „Seitenblicke"-Duo, ergänzt von Felix Rank als Philinte lästern sie - sehr zur Freude des Publikums - was das Zeug hält. David Fuchs kämpft als Oronte um Célimène à la Matrix-trifft-Western und Daniel Feik ist nicht nur ein origineller Ocaste, sondern auch ein begabter Puppenspieler. Das hohe Tempo der Komödie meistern alle Darsteller mit Bravour. Als Molière endlich am Gipfel seiner amourösen Sehnsüchte ist, bringt - wie so oft in Komödien - ein Brief alles zu Fall. Doch im Phönix sind das gleich zig, die immer wieder zerrissen werden. Die Wahrheit will Molière dann doch nicht so genau wissen ... Ende gut, alles gut, heißt es für das ungleiche Paar, oder doch nicht? Gleich zwei Schlüsse stehen parat - ein feuriger, und ein feurigerer. Gebhartl ist eine äußerst rasante, boshafte Komödie gelungen. Molière kämpft aber weniger gegen wirklich erschreckende Korruption und verachtenswerten Lobbyismus, sondern mehr gegen ein durch und durch dekadentes, verlogenes Weltbild, in dem oben genannte Verkommenheiten Beiwerk sind.
Atemberaubende Inszenierung
Elisabeth Vera Rathenböck, Kronen Zeitung, 02.12.2017
Neufassung von Molières „Der Menschenfeind" im Linzer Theater Phönix:
Eine messerscharfe Komödie auf adeligem Boden hat einst Molière im Stück „Der Menschenfeind“ für das 17. Jahrhundert entworfen. Heute stellt Regisseur Harald Gebhartl eine konsequent durchdachte, schauspielerisch detaillierte Neufassung auf die Bühne des Linzer Theaters Phönix: eine grandiose Meisterleistung!
Scharfsinnig zynisch zeichnete einst Molière eine Gesellschaft, in der barocke Monster höfische Etikette wahren. Er lässt Charaktere aufeinander los, die nur darauf aus sind, sich amüsant zu quälen. Oberflächlichkeit ist Strategie der Anpassung - all das passt ins Heute.
Zu einer unterhaltsamen, sprachlich und schauspielerisch atemberaubenden Inszenierung verdichtet, stellt Harald Gebhartl seine Version in eine klaustrophobische Bühnenkabine (Gerald Koppensteiner). Pochende Technomusik spuckt die Figuren aus, darunter Molière selbst. Der Dichter will aussteigen, wahrhaftig sein. Dem schmierigen Verseschmied Oronte, gespielt von David Fuchs, sagt er auf den Kopf zu, dass dessen Reime großer Mist sind. Dieser wird ihm in Liebesangelegenheiten zum Feind.
Markus Hamele ist ein suchender, verzweifelter Molière, der fast masochistisch daran geht, den anderen einzuschenken. Die kudernden, verbiesterten Damen, die Anna Maria Eder und Marion Reiser sehen lassen, spielen ihm gehörig mit. Daniel Feik führt einen alten, nicht minder geilen Herren als Handpuppe in den Schlamm dieser Gesellschaft ein. Felix Rank ist halb Freund; halb intriganter Einflüsterer. Die Figuren parlieren im barockisierten Vers mit flottem Zeitgeist. Gemäß dem Original wird deutlich: Der, der die Wahrheit liebt, liebt vor allem sich selbst in seiner Protesthaltung. Beachtliche Leistungen in Regie und Schauspiel machen die Inszenierung so faszinierend, dass man sie noch einmal sehen möchte. Empfehlenswert!