Exit - ich liebe meine Panik

Eine aggressive Idylle

In künstlerischer Zusammenarbeit mit dem Theater im Bahnhof, Graz

von
Ed. Hauswirth / Ensemble

Sujet: Stefan Eibelwimmer
Uraufführung:
01.02.2018
Dauer:
Aufführungsdauer: 1h 35; keine Pause
Spielstätte:
Saal

Besetzung


Ausstattung
Johanna Hierzegger


Lichtgestaltung
Gerald Kurowski


Anna Maria Eder
© Zoe Goldstein
Anna Maria Eder
Markus Hamele
© Matthias Leonhard
Markus Hamele
Rupert Lehofer
© Johannes Gellner
Rupert Lehofer
Felix Rank
© Apollonia Theresa Bitzan
Felix Rank
Marion Reiser
© Eisterhuber, Leisch
Marion Reiser
Martina Zinner
© privat
Martina Zinner
Rafael Wieser
© Hanna Schwaiger
Rafael Wieser

Inhalt

Ein Wohnprojekt.
Ganz normale Menschen arbeiten am Traum vom guten Leben und wollen sich ihre Sehnsucht nach Gemeinschaft erfüllen. Raus aus Verschwendung und Konkurrenz, raus aus Konformität und Hass. Doch das alltägliche Miteinander hat seine Tücken.

Wir alle planen unser Leben im Einklang mit Beruf, Familie und Nachbarschaft und sind selbstverständlich bereit, den Müll zu trennen. Warum sind wir inmitten einer sich radikal verändernden Welt immer noch so brav? Die banalste Variante von dem, was man werden wollte, ist man gerade. Könnten wir nicht einmal kurz die Kontrolle verlieren? Wäre der erste Stein einmal angestoßen, wäre dann eine Kettenreaktion ungeplanter Ereignisse – die man sich gar nicht zugetraut hätte –, möglich? Wutausbruch, tanzen oder doch eine Grillage?

Sehr fern inspiriert von Franz Novotnys Achtzigerjahre-Kultfilm „Exit … Nur keine Panik“ hat das Ensemble ein mentales Roadmovie durch das alltägliche Leben und seine Abgründe und über die (Un-)Möglichkeit einer Gemeinschaft entwickelt.
Und alle haben wir einen Kredit bei Raiffeisen.
Wohnen ist Wut!
Wohnst du schon oder diskutierst du noch?

Einblicke


Stefan Eibelwimmer
© Stefan Eibelwimmer
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger

Pressestimmen

Famos besessen von der Utopie der Gemeinschaft

Theater Phoenix Linz: „Exit - Ich liebe meine Panik“ begeistert als spritziges Stück über Besitz und schönes Wohnen als Gruppe

Um nichts weniger als um eine der ganz großen Fragen geht es in der Inszenierung „Exit - Ich liebe meine Panik“, die im Theater Phoenix Linz in Zusammenarbeit mit dem Grazer „Theater im Bahnhof“ Donnerstag uraufgeführt worden ist: Wie macht man aus vielen Einzelnen ein Ganzes?

Der Steirer Regisseur Ed. Hauswirth (Dramaturgie: Sigrid Blauensteiner, Silke Dörner) stellt dafür drei Paare und einen jungen Mann auf die Bühne: die Volksschullehrerin, Verzeihung! „Pädagogin“, Sabrina (Anna Maria Eder), und ihren Mann Hanno (Rupert Lehofer), einen Techniker. Jungmama und Designerin Heidi (Marion Reiser), die am liebsten eine 3000-Euro-Hose und das Babyphon trägt, und ihr Gatte, der hippe Neurologe Peter (Felix Rank), den ÖBB-Bestverdiener Eddie (Markus Hamele) und seine beruflich unterforderte Bea (Martina Zinner). Und den Anthropologen Paul (Rafael Wieser).

Sie leben die Soziokratie. In ihrem Wohnkomplex, der ihr eigen ist, wird nichts verändert, so lange einer „einen schweren“ Einwand hat. Über leichte Einwände redet man halt, „bis sie weg sind“.

Eine Mär, mit der sie es sich bequem machen, wie mit dem Mantra „Wir sind super entspannt!“. Es ist herrlich, dieser Gruppe dabei zuzusehen. Nicht nur, weil Hauswirth gekonnt starke wie spritzige Darsteller mit Sinn für Selbstironie zu einem ausbalancierten Ganzen dirigiert. Sondern auch, weil sich seine Figuren so amüsant selbst belügen.

Sie können im Gemeinschaftsraum noch so verkrampft jugendlich tanzen, es werden eigene Bedürfnisse mit denen anderer konfrontiert. Und jeder, der sich einmal vorgenommen hat, nur erwachsen zu handeln, weiß, wie es endet: nicht gut. Das Unheil bricht langsam herein, auf der Bühne raffiniert in ein rätselhaftes, unaufhaltsames Tröpfeln von der Decke übersetzt. Das Verderben kündigt sich mit Neckereien an, die schmerzen, aber überspielt werden. Risse entstehen durch all das, was jede Gruppe fordert: Macht, Sex, miese Kommunikation, Geld. Bei Letzterem gelingen Hauswirth starke Bezüge zur Politik, zum Trend zur Selbstverwirklichung. Letztlich wird getobt, geschrien, verzweifelt. Weil das Geld nie mehr geworden ist, nur die materiellen Träume, die man sich erfüllt hat - gegen jedes bessere Wissen. Ein gescheites, lustvolles Theater.

Nora Bruckmüller, OÖN, 03.02.2018

Ed. Hauswirth-Produktion „Exit“ überzeugte bei Uraufführung in Linz

“Es ist so viel“, klagt Figur Hanno und das gilt - ins Positive gesetzt - für das ganze Stück: Idylle, Groteske, Klamauk, Satire, Beziehungsstudie, Gesellschaftskritik, selbst Politisches spielt mit in dem sehr gelungenen Abend.

Die aggressive Idylle “Exit - Ich liebe meine Panik“ von Ed. Hauswirth und dem Ensemble hat am Donnerstag im Linzer Phönix Theater eine umjubelte Uraufführung gefeiert.

“Angenommen, du ziehst in ein Wohnprojekt und entdeckst, dass dein Mann seinen Humor verliert in Gemeinschaft und du die Gemeinschaft aber sehr genießt“, sinniert Heidi (Marion Reiser als Paradedeutsche) am Anfang. “Angenommen, du ziehst in ein Wohnprojekt und denkst, die anderen mögen dich nicht“, hält ihr Mann Peter (unterdrückt aggressiv: Felix Rank) dagegen. Drei Pärchen und “Küken“ Paul, Single und Kulturanthropologe, sind die Bewohner des kofinanzierten Eigenheims, Abbild unserer Gesellschaft im Mikrokosmos Wohnprojekt. Volksschullehrerin Sabrina (energisch: Anna Maria Eder) stellt alle vor und schon geht es zur Sache im unterirdischen Gemeinschaftsraum beim von Paul (Rafael Wieser überzeugt als Millennial) geleiteten Tai Chi.

Dass sehr wohl in “Mein“ und “Dein“ konkurrenzgedacht wird, stellt Bea (herrlich kalt und böse blickend: Martina Zinner) gleich einmal klar. “Jednfois ham mir die größte Wohnung“, sagt die vom Kinderwunsch beherrschte Gattin des “Bestverdieners“ Eddie (Markus Hamele als zunehmend unsympathisch werdender Establishment-Vertreter). Sabrina und Start-up-Inhaber Techniker Hanno (gewaltig aufspielend: Rupert Lehofer) haben zwei Kinder, am wenigsten Geld und die meisten Schulden.

Doch alles ist eitel Wonne, alle haben sich lieb - und die Fassade bröckelt, denn auch in der so geliebten Gemeinschaft kann keiner aus seiner Haut und seinem Ego. Da hilft weder gewaltfreie Kommunikation noch Mediation. Mal wird einer laut wegen falsch getrenntem Müll, mal wegen Katzenhäufchen im Zen-Garten. Eine schwere Krise vor etlicher Zeit führte zur “Soziokratie“ - Unterschied zur Demokratie: “Des angfressn sein foit weg“, so Bea.

Die gut eineinhalb Stunden vergehen rasant, leben vom exzellenten Spiel jedes einzelnen Darstellers - Rank erntete Szenenapplaus für seine Schlagerdarbietung in Lederhose - und dem klugen Bühnenbild von Johanna Hierzegger mit einem Indoor-Zen-Garten im Zentrum, Kletterwand, Riesensofas und sehr geschickt eingesetzten Projektionen. Ed. Hauswirth, Leiter des Grazer Theater im Bahnhof, und das aus Linzern wie Grazern bestehende Ensemble, die den Text während der Proben aus Improvisationen schufen, haben viel in diese erste Kooperation der beiden Häuser hineingepackt, überfrachtet wirkt aber nichts.

Große Fragen, Träume, Ängste und Nöte werden behandelt, Themen unserer Zeit (hashtag, metoo, späte Elternschaft, Österreichs neue Regierung, Eigentum) aufgegriffen und nichts Menschliches (Sex, Betrug, Neid, Macht) ausgespart. Starke Bilder entstehen, wie das der auf Polnisch schimpfenden Sabrina, des auf den Tennisball eindreschenden Eddie, von einer Bea mit Killerblick und dem mit einer Grillzange erbost müllstierlnden und am Ende verzweifelten Hanno (“Des is mehr als i reparieren kann“) - getoppt von der rockigen Schlussnummer “Wonderful World“, bei der Rank abermals sein Gesangstalent beweist und die anderen lustvoll auf die Perkussionsinstrumente einschlagen.

Auch wenn am Ende vieles auf der Bühne in Trümmern liegt, seinen positiven Grundton verliert das Stück nie. Und ob so ein Wohnprojekt das Richtige ist, weiß man ohnehin nie - außer man steckt grad mittendrin. Für alle anderen ist “Exit“ ein sehr anzuratender Abend, der zum Nachdenken anregt, Politik und Gesellschaft reflektiert und in dem es zutiefst menschelt.
Von Ulrike Innthaler/APA/Kleine Zeitung

Ulrike Innthaler, Kleine Zeitung, 02.02.2018

Gemeinsames Wohnen als Alptraum

Gelungene Uraufführung von „Exit- Ich liebe meine Panik“ im Theater Phönix

In „Exit - Ich liebe meine Panik“ zerreißt Ed. Hauswirth die Romantik von gemeinsamen Wohn- und Lebensprojekten. Er bringt das wunderbare En¬semble nach und nach auf die Palme, bis es kracht. Ein unterhaltsamer Abend im Linzer Theater Phönix!

Es gibt Menschen, die ihr Leben genau planen. Ein Eigenheim gehört dazu. Wenn daraus ein gemeinschaftliches Wohnprojekt wird, kann es Probleme geben. Der eine will einen Zen-Garten, der andere eine Katze, die das spirituelle Feld als Klo entdeckt. Der eine trennt den Müll, der andere sieht das nicht so eng. Der eine hat einen guten Job, der andere plötzlich gar keinen mehr. Überhaupt: Das größte Problem sind immer die anderen ...

Auf der Bühne des Theater Phönix sind für die Uraufführung drei Paare und ein Single eingezogen. Sie verstehen sich gut, zeigen, wie und was sie alles geplant haben. Sie lassen spüren, wo sie stehen in ihrem Leben, das aus Karriere, Kind und Kredit besteht. Denn die meisten haben das Eigenheim mit Schulden finanziert. Langsam beginnt die Harmonie jedoch zu bröckeln, Neid, Seitensprünge und Eitelkeiten mischen die gut geträumte „Soziokratie“ gehörig auf.

Ed. Hauswirth, Gründungsmitglied des „Theater im Bahnhof“ in Graz und Nestroy-Preisträger, weiß, wie der klassische Vertreter des Mittelstands spricht, denkt und fühlt. Als Autor und Regisseur bedient er das Schema und lässt es schlüssig immer mehr zu Bruch gehen. Starke Emotionen vom Ensemble, das sich so natürlich in dieses Biotop einfügt, als würde alles gerade jetzt vor den Augen des Publikums geschehen. Auf der Bühne sind unter anderen Martina Zinner, Markus Hamele, Marion Reiser und Felix Rank zu sehen.

Ein gelungener Abend voll herzhaftem Lachen und zustimmendem Nicken! Die Produktion geht auch nach Graz weiter.

E. Rathenböck, Kronen Zeitung, 03.02.2018

Ein Zen-Garten wirft dunkle Schatten

Ein Wohnprojekt und seine Abgründe als Stoff für eine Theaterarbeit.

LINZ, GRAZ. Auf die neue, gemeinsame Kletterwand sind alle mächtig stolz. Der Zen-Garten soll die Harmonie im Wohnprojekt, in dem von einem guten Leben in der Gemeinschaft geträumt wird, verstärken. Doch der Teufel steckt im Detail. Wenn Katzenkot den Zen-Garten verunreinigt, die Mülltrennung wieder nicht funktioniert oder zwischenmenschliche Bande jenseits der Pärchenidylle geknüpft werden, reagieren die Mitglieder des Wohnprojekts mit Schreiorgien und derben Beschimpfungen. Aus gesellschaftspolitischen Idealisten werden (etwas zu) rasch Spießbürger.

„Exit - Ich liebe meine Panik", lautet der Titel einer Produktion im Linzer Theater Phönix. Mit dem Grazer Theater im Bahnhof (TiB) entstand in Anlehnung - zumindest im Titel - an Franz Novotnys Kultfilm „Exit...Nur keine Panik" aus den 8oer-Jahren eine „aggressive Idylle". Unberechenbare Gewalt wie im Film gibt es kaum, eher wird mit Ironie und boulevardeskem Humor amüsante Bürgerkritik betrieben. Regisseur Ed. Hauswirth baut auf Recherchen und Interviews im Wohnprojektmilieu auf, der im Kollektiv entstandene Text ist eine Collage aus Realität und Fiktion.

Drei Pärchen und ein Single sind die Bewohner des kofinanzierten Eigenheims, das zu einem Käfig voller Narren ausartet. Martina Zinner (Bea) und Rupert Lehofer (Hanno) stechen aus dem siebenköpfigen Ensemble mit grantelnder Grandezza hervor. Die profund aufbereitete und überzeugende Theaterarbeit setzt auf Bewährtes, dramaturgisch wird kein Risiko eingegangen. Am Ende droht die Soziokratie zu ertrinken, ehe eine Version des Welthits „Wonderful World" ertönt. Die Misstöne darin sind Programm.

Martin Behr, Salzburger Nachrichten, 03.02.2018

Wie viel Mensch halten die Menschen aus?

Uraufführung von „Exit - Ich liebe meine Panik" im Theater Phönix

Auf einem deutschen Privatsender lief wochenlang ein Format, bei dem sich 100 Menschen ein Einfamilienhaus teilten. Die Fernsehzuseher schauten ihnen dabei zu. Am Donnerstag konnte immerhin sieben Menschen beim Wohnen zugeschaut werden. Im Linzer Theater Phönix feierte „Exit - Ich liebe meine Panik" seine Uraufführung.

Film und Interviews

Entwickelt wurde das Stück von Ed. Hauswirth (Regie) vom Grazer Theater am Bahnhof und den Schauspielern Anna Maria Eder, Marion Reiser, Martina Zinner, Markus Hamele, Rupert Lehofer, Felix Rank und Rafael Wieser - auf der Bühne als Sabrina, Heidi, Bea, Eddie, Hanno, Peter und Paul. Grundlage war nicht nur der Film „Exit - Nur keine Panik" (1980), sondern auch Interviews mit Maklern, Kreditnehmern und eben jenen, die gemeinsam in Wohnprojekten leben. Freiwillig. Alles wird da optisch und verbal auf die großzügige Bühne gebracht, was die „Zusammenwohner" so ausmacht: Kletterwand, türkise Socken, Quiche, Sabbatical, Babyfon, Zengarten, Ristretto, hässliche Hemden und Röcke ... Man kennt sich aus: die Bürgerlichkeit ist in Hipster-Hausen angekommen. Die Ausstattung hatte Johanna Hierzegger über. Man wäre gerne individuell, landet im Zwang und unweigerlich im Spießertum. Wenn einer Lust kriegt, den Schläger heftig zu schwingen, haben die anderen was dagegen. „Wir versuchen hier alles anders zu machen." Nach und nach bröckelt aber die Fassade, nein, brechen die Dämme, die Flut naht und reißt die guten Vorsätze mit. Die Gegensätze, Konflikte, Unmöglichkeiten kommen auf den Tisch - sehr originell - in Form von falsch getrenntem Müll.

Mehr Wut, mehr Geschrei

Die Frequenz der Wutausbrüche inklusive Schreiattacken wird höher, dem Publikum wird mehr als deutlich gemacht: Jetzt ist Schluss mit lustig im verordnetem Gemeinsamsein. Das Chaos regiert, der entblößte Lederhosenträger tanzt am Dach, der Entblößt seelenstrippt: Totgefahren hat er einen im Drogenrausch. Die Anarchie kehrt ein, was gibt es Wilderes, als auf Trommeln einzudreschen, wenn sonst eine Hebefigur schon der Höhepunkt ist! Die Darsteller sind eine wirklich gelungene Mischung aus Phönix-Ensemble, Grazer Theater am Bahnhof-Schauspielern und Gast Rafael Wieser. Als hätten sie nie ohneeinander gelebt, Pardon, gespielt, bringen sie mit viel Energie „ihr" Stück auf die Bühne. Den Zuschauern - ausverkauft war die Premiere nicht - gefiel es. „Das war so realistisch", war zu hören. Frau und Mann fanden sich und ihre Nöte. Dazu kam aber ein bisschen Willkür - bei den Witzen, den Weisheiten, dem nackten Paul, den angeschnittenen Themen an sich. Den letzten Gag - Karaoke: „What a Wonderful World" - nahm man auch noch mit. Die Frage bleibt: Wenn ich für nichts auf der Welt mit diesen sieben Menschen zusammenleben möchte, will ich ihnen dann beim Leben zusehen? Da werden einem ja die Menschen zu viel. Der Applaus war dennoch groß.

Mariella Moshammer, Neues Volksblatt, 03.02.2018