Leonce und Lena


O wer einmal jemand anders sein könnte! Nur 'ne Minute lang.
Warum schlägt man einen Nagel durch zwei Hände, die sich nicht suchten?

Sujet: Stefan Eibelwimmer
Premiere:
10.09.2015
Dauer:
1h 35min
Spielstätte:
Saal

Besetzung





Lichtgestaltung
Gordana Crnko


Dramaturgie
Silke Dörner

Rebecca Döltl
© Tom Mesic
Rebecca Döltl
David Fuchs
© Eisterhuber, Leisch
David Fuchs
Markus Hamele
© Matthias Leonhard
Markus Hamele
Klaus Huhle
© Ulrike Kofler
Klaus Huhle
Julia Jelinek
© Pamela Rußmann
Julia Jelinek
Sebastian Pass
© Moritz Schell
Sebastian Pass
Felix Rank
© Apollonia Theresa Bitzan
Felix Rank
Daniel Feik
© Jan Frankl
Daniel Feik

O wer einmal jemand anders sein könnte! Nur 'ne Minute lang.
Warum schlägt man einen Nagel durch zwei Hände, die sich nicht suchten?

Inhalt

Der melancholische Prinz Leonce aus dem Königreich Popo leidet an seinem Leben: „O wer einmal jemand anders sein könnte! Nur 'ne Minute lang.“ Von Beruf Erbe gibt er sich voll und ganz dem Müßiggang hin, zählt Sandkörner auf seinem Handrücken und sinniert über das Leben und die Langeweile, die er als einzigen Motor menschlichen Handelns sieht. Als er die ihm unbekannte Prinzessin Lena aus dem Reiche Pipi heiraten soll, ergreift er, gemeinsam mit seinem Vertrauten Valerio, kurzerhand die Flucht, denn jeglicher Zwang ist ihm zuwider. Prinzessin Lena ist ebenso wenig bereit, ihr Liebesglück einer arrangierten Ehe zu opfern. Auch sie läuft davon und findet Zuflucht in einer Bar, wo sich die beiden Flüchtenden begegnen und ineinander verlieben, ohne die wahre Identität des anderen zu kennen …

 

Georg Büchners 1836 verfasstes, einziges Lustspiel „Leonce und Lena“ ist absurd-romantisches Märchenspiel und bitterböse Satire über die politischen und sozialen Verhältnisse seiner Zeit zugleich. Eine Persiflage auf die Weltfremdheit und Dekadenz eines elitären Standes, der es sich leisten kann, sich Langeweile zum Problem zu machen, während das Volk schuften muss, um zu überleben.

 

Susanne Lietzow, die 2014 mit dem Nestroy „Beste Bundesländer Aufführung“ für ihre Theater Phönix-Inszenierung von „Höllenangst“ ausgezeichnet wurde, hat Büchners virtuoses Spiel auf die Bühne gebracht.

Einblicke


Stefan Eibelwimmer
© Stefan Eibelwimmer
Marie Luise Lichtenthal
© Marie Luise Lichtenthal
Marie Luise Lichtenthal
© Marie Luise Lichtenthal
Marie Luise Lichtenthal
© Marie Luise Lichtenthal
Marie Luise Lichtenthal
© Marie Luise Lichtenthal
Marie Luise Lichtenthal
© Marie Luise Lichtenthal
Marie Luise Lichtenthal
© Marie Luise Lichtenthal
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger

Pressestimmen

Dieses Burnout kommt von Langeweile und Nichtstun

„Leonce und Lena" gehen im Linzer Theater Phönix aufs Eis

„Eisbären müssen nie weinen ..." - leise flüstert der alte König in seiner Ripp-Unterwäsche diese Textzeilen aus dem Song der Band Grauzone ins Mikro. Armselig sitzt er da, dement und traurig. Soeben hat sich sein Sohn erschossen ... Es ist eine berührende Szene am Ende eines Lustspiel genannten Stückes von Georg Büchner. Der hatte „Leonce und Lena" mit 20 Jahren geschrieben, kurz bevor er mit 23 Jahren an Typhus gestorben ist.

Regisseurin Susanne Lietzow sieht weniger das Lustspiel als die Abrechnung eines Jungen, revolutionär denkenden Menschen mit den damals absolutistischen Herrschern deutscher Kleinstaaten. Und das tut er mit Komik, aber auch mit Sarkasmus, Zynismus und Pessimismus. In diesem Sinne ändert Lietzow in ihrer großteils melancholischen, teils aber etwas zu überzogenen und mit zu viel „Fuck!"-Geschrei durchsetzten Inszenierung eben auch das Ende - da passt kein Happyend dazu und das hat Logik.

Sie siedelt die Story im Umfeld einer sich langweilenden Oberschicht an, die ihre Freizeit zwischen Champagnerflaschen und Fitness-Studio verbringt. Auf einer Sonnenbank lümmelt Leonce, Prinz des Königreiches Popo. Ihm ist schlecht vom Saufen und „Ich habe ein Burnout vom Nichtstun!" - das ist zwar nicht Original-Büchner, könnt es aber durchaus sein.

„Krieg den Palästen!“

Die Regisseurin hält sich zwar an die literarische Vorlage, kürzt aber viel und fügt einiges hinzu. Sehr gelungen beispielsweise jene Szene, als der König mit Rollator auftritt (Klaus Huhle mit Gebaren und Blick eines wieder zum Kind gewordenen dementen Alten) und ein in Fetzten gewandetes Wesen jene Zeilen aus dem „Hessischen Landboten“ zitiert, für die Büchner steckbrieflich gesucht wurde: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“

Büchner erzählt die Geschichte vom Prinzen Leonce, der die ihm unbekannte Prinzessin Lena aus dem Königreich Pipi heiraten soll. Er flieht, sie flieht und zufälligerweise treffen sie einander und verlieben sich, ohne zu wissen, wer sie wirklich sind. „Du hast den Frühling auf den Wangen, den Winter im Herzen", sagt Lena zu Leonce. So gefühlskalt er anfangs ist, so eisig ist das in grau-weiß gehaltene Drumherum: Gespielt wird auf einer Eisfläche, das Schauspielteam muss auf Eislaufschuhen agieren. Das ist nicht leicht und auch nicht notwendig. Und einen Verletzten gab es schon bei der Premiere: Sebastian Pass als kluger Narr Valerio hat sich mit den Kufen eine Fleischwunde zugezogen. Er spielt ohne Schlittschuhe - und das macht gar nichts. Nun, nicht alle laufen derart elfengleich wie die süße Lena (Julia Jelinek) oder Kür-artig wie Rosetta (Daniel Feik). Wunderbar die Musik von Gilbert Handler, der den Emotionen adäquate Klänge gibt, und wirklich gut die Gesänge der Schauspieler. David Fuchs als Leonce präsentiert sich darstellerisch und stimmlich von großer Güte. Witzige Comic-Figuren sind Felix Rank, Markus Hamele und Rebecca Döltl, wozu auch die Kostüme von Marie Luise Lichtenthal beitragen.

Kurzweilige eineinhalb Stunden in einer eigenwilligen, aber durchaus schlüssigen Interpretation.

Silvia Nagl, OÖN, 12.09.2015

Dandy liebt Vodka-Prinzessin

Erfrischende Premiere von Georg Büchners „Leonce und Lena“ im Linzer Theater Phönix: Die Regisseurin Susanne Lietzow entstaubt diesen Klassiker auf reizende Art und Weise, erweckt auch farblose Nebencharaktere zu schillerndem Bühnenleben und zieht noch dazu allen Darstellern Schlittschuhe an.

Der Königspalast wird in der Phönix-Inszenierung zur fragwürdigen Kneipe mit Eislaufplatz als Tanzfläche (Ausstattung: Marie Luise Lichtenthal), in der Büchners Gouvernante kurzerhand als burleske Bardame (frech; Rebecca Döltl) Vodka an die unglückliche Prinzessin Lena (Julia Jelinek) ausschenkt. Währenddessen spielen David Fuchs als dandyhafter Leonce und Sebastian Pass als sein zwischen Riff Raff und Joker angesiedeltes Alter Ego verbales Pingpong, dass es eine helle Freude ist - ein Genuss, diesem Duo zuzusehen! Pass meisterte die Premiere noch dazu nach einer Verletzung mit Beinschiene. Susanne Lietzow bringt in das gesellschaftskritische Lustspiel zusätzlichen Humor, indem sie Leonces Geliebte Rosetta als Drag Queen (Daniel Feik) und König Peter als dementen Opa (Klaus Huhle) zeigt. Gelungen!

Jasmin Gaderer, Krone, 12.09.2015

Büchner gründlich verändert

Premiere: Georg Büchners Komödie „Leonce und Lena“ am Linzer Theater Phönix

Kalt, kälter, eiskalt ist es im Reiche Popo. Nicht nur vom eisigen Untergrund, auch von der sozialen Temperatur her. „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“, droht ein am Boden kriechender Bettler seinem altersschwachen, sich am Rollator dahin-schleppenden König Peter. Derweil dessen Sohn und Thronfolger, Prinz. Leonce, dem Solarium entsteigt, not amused, weil ihn der Hofmeister aus alkoholgeschwängerten Träumen reißt »Ich hab‘ ein Burnout vom Nichtstun!“, klagt er dem noch erfahreneren Müßiggänger Valerio, mit dem zusammen er gen Süden abhaut, als er erfährt, dass sein Vater ihn unbekannterweise mit Prinzessin Lena aus dem Reiche Pipi verheiraten will. Diese ist, Georg Büchner und der Zufall wollen\'s, aus demselben Grund just in dieselbe Richtung geflohen ...

„Alle Uhren zerschlagen, alle Kalender verbrennen“

Dort mengt sich in einer Bar die Liebe ein und als die beiden einander Unbekannten nach der fingierten Hochzeit am Ende erkennen, wer sie wirklich sind, werden die Lackmeier auf einmal selbst zu Gelackmeierten. „Wir lassen alle Uhren zerschlagen und alle Kalender verbrennen“, will Leonce nach der Abdankung des alten Königs seinem Volk versprechen. Das Leben, fortan eine große Party?

Mitnichten. Am Ende resigniert der frisch gekrönte neue Monarch vor den Mühen der Ebene - mit Aplomb und einem großen, bei Büchner gar nicht vorgesehenen Knalleffekt. Büchner gründlich verändert also. Ein Lustspiel als Tragikomödie und stellenweise Rockmusical. Denn gesungen wird viel und gut: von Gilbert Handler jazzig vertonte Gedichte von Joseph von Eichendorff und Clemens Brentano, coole Loungemusik zumeist - wunderbar!

Vielleicht am besten bei Stimme: Rebecca Döltl als dralle Bardame und Daniel Feik als Rosetta, hier in zeitgeistiger Travestie von einem Mann verkörpert. „Eine sterbende liebe ist schöner als eine werdende“, sagt Leonce über diese seine Ex-Gespielin. David Fuchs zeichnet den Prinzen mit starker Bühnenpräsenz als höchst unsympathischen Zeitgenossen, ja junges Ekel, dem man aber nach der Begegnung mit Lena doch die Wandlung zum Guten abnimmt. Julia Jelinek, im „Blunz\'nkönig“ derzeit auch im Kino, darf die letztlich mit wenig Text verbliebene Rolle mit der erforderlichen Lieblichkeit, aber nicht mit viel mehr, ausstatten. Die in Büchners Komödie enthaltene Heiterkeit vermögen vor allem Klaus Huhle als altersdementer König in Unterhosen, Büchners hier etwas zu wenig zum Tragen kommenden Wortwitz Felix Rank als Hofmeister und Markus Hamele als Präsident zu vermitteln. Die „Nestroy“-prämierte Tiroler Regisseurin Susanne Lietzow hat die 90 Minuten oft recht statisch inszeniert, lange schleppt sich die Handlung dahin wie der am Bein verletzte „Phönix-Heimkehrer“ Sebastian Pass, der aber dennoch zu guter Form aufläuft - so wie ganz zum Schluss auch das Stück. Pass ist das einzige Opfer der aberwitzigen, aber originellen Idee von Lietzow und Ausstatterin Marie Luise Lichtenthal, das Stück auf einem künstlichen Eislaufplatz und die Akteure auf Schlittschuhen spielen zu lassen. Im realen Kapitalismus herrsche eben Kälte ...

Andreas Hutter, Neues Volksblatt, 12.09.2015

Vormärz on Ice und ein König am Rollator

In ihrer eigenwilligen Bearbeitung von Büchners „Leonce und Lena“ am Linzer Theater Phönix lässt Susanne Lietzow u. a. Schlittschuhlaufen.

Linz - Kalt ist die Epoche des Vormärz und groß die Sehnsucht nach dem Süden und der revolutionären Sonne: Regisseurin Susanne Lietzow macht keine Umwege bei der Bebilderung politischer Ansätze in Georg Büchners „Lustspiel“. Marie-Luise Lichtenthals Bühnenbild zeigt einen Eislaufplatz, das Ensemble bewegt sich auf Schlittschuhen fort - bis auf Sebastian Pass, der den Valerio verletzungsbedingt bei der Premiere ohne Schlittschuhe, dafür großartig-bösartigst humpelnd spielte. Das Zentrum der Bühne bildet eine lange Bar, und der große Kater lässt nicht lange auf sich warten: Leonce erwacht mit einem solchen auf der Solariumbank, lässt Sandkörner über die Hand rieseln und sich „vom Leben angähnen“.

Mit Leonce und Lena, dessen Veröffentlichung im Jahr 1895 der Autor nicht mehr erlebte, kritisierte Georg Büchner (1813 - 1837) Adel und Ständestaat. Leonce verkörpert Ödnis und Trägheit in den damaligen deutschen Kleinststaaten. Er - Prinz im Reiche Popo, das gerade noch vom senilen König Peter (Klaus Huhle am Rollator) regiert wird - und Lena, Prinzessin im Reiche Pipi, sollen verheiratet werden, ohne sich zu kennen. Das wollen beide nicht.

Und so flieht Lena mit ihrer Gouvernante (Rebecca Döltl als „Bardame“) vor der Hochzeit, Leonce macht sich mit seinem Vertrauten und Alter Ego Valerio nach Italien auf. Die beiden treffen sich auf der Flucht, verlieben sich und werden, als Automaten verkleidet, vom dementen König - zum Schein - getraut.

Bei Büchner kündigt Leonce dann an, dass das Spiel „am nächsten Tag von vorne losgehe“. Der Autor wollte damit auf die Hohlheit von Ritualen gehobener Stände im Angesicht des hart arbeitenden Volkes hinweisen.

Bei Lietzow erschießt sich Leonce allerdings und durchbricht den Kreislauf - eine der wenigen klaren, auch politischen Äußerungen in Lietzows Bearbeitung, die mit ihrer Mischung aus Gesangseinlagen, Tanz und Schlittschuhlauf eher musicalhaft und über weite Strecken unpolitisch ist. Sie hat durchaus ihre überzeugenden schauspielerischen Momente, gähnt in manchen Längen allerdings ins Publikum zurück.

 

Wiltrud Hackl, Der Standard, 15.09.2015