One Minute

Sujet: Dini Hroß
Österreichische Erstaufführung:

28.02.2008
Dauer:
-
Spielstätte:
Saal

Besetzung




Musik
Armin Lehner

Lichtgestaltung
Stefan Pfeistlinger

Lisa Fuchs
© Raphaela Danner
Lisa Fuchs
Matthias Hack
© Tania Marcadella
Matthias Hack
Theo Helm
Theo Helm
Melanie Herbe
Melanie Herbe
Judith Richter
© Tom Mesic
Judith Richter

Inhalt

London im Winter 2001. Ein elfjähriges Mädchen wird vermisst. Trotz der großräumigen Fahndung fehlt jede Spur. Alle Ermittlungen von Inspector Gary Burroughs und seinem überspannten jungen Kollegen Constable Robert Evans führen ins Leere. Gary Burroughs besucht die Mutter des Mädchens, die Professorin Anne Schults. Aus einer spontanen Sympathie entwickelt sich ein vertrauensvolles Gespräch, in dem nicht nur Anne, sondern auch Gary zum Befragten wird. Auch in seinem Leben gibt es Verluste und Vermisste. Etwa zur gleichen Zeit lernen sich die hübsche Künstlertochter Marie Louise Burdett und Catherine Danham, eine junge Kellnerin aus Garys Stammkneipe, in einem Kleidergeschäft in Camden kennen. Bald beschließen sie, als Mitbewohnerinnen zusammenzuziehen. Wenige Tage später meldet sich Marie Louise bei der Polizei als Zeugin. Zur Befragung kommt Robert Evans, dem zunächst ein wichtiges Detail entgeht ... 

Am Rande der Entführungsgeschichte eines Mädchens entwickelt der britische Autor Simon Stephens – einer der meistgespielten Gegenwartsdramatiker – fünf bruchstückhafte Momentaufnahmen über das Leben in der Großstadt, die Leere nach der Liebe und den Trost von Fremden.

Einblicke

Dini Hroß
© Dini Hroß
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger
Christian Herzenberger
© Christian Herzenberger

Pressestimmen

Der Trost von Fremden

Ein Mädchen wird in den Straßen Londons entführt. Rund um den Vorfall baut Simon Stephens in One Minute sein Psychogramm der Einsamkeit. Nicht der Fall selbst ist von Interesse, sondern das Motiv Verlust an sich – festgemacht an den Angehörigen des Opfers, den Ermittlern und den Zaungästen der Suche. In Volker Schmidts Regie entwickelt das Stück einen bestechenden Rhythmus, der durch das fortwährende Erscheinen des Mädchens auf der Bühne stumm synchronisiert wird. Im gelungenen Bühnenbild von Georg Lindorfer agiert ein pointiertes Ensemble: Matthias Hack als frustrierter Inspector, der übereifrige Constable-Jungspund von Theo Helm, Melanie Herbe als die verzweifelt gefasste Mutter, Judith Richters labile Zeugin Miss Burdett und die ebenso energische wie orientierungslose Studentin Catherine (Lisa Fuchs). Wunderbar selbstverständlich und im wahrsten Sinn auf Schritt und Tritt begleitet von Stella Dörner als das entführte Mädchen Daisy Schults.

Wolfgang Schmutz, Der Standard, 04.03.2008

Columbo in der Vorstadt

THEATER: Lang geratenes „One Minute" im Theater Phönix

 „One Minute": Stück von Simon Stephens, Öst. Erstaufführung, Theater Phönix Linz (28. Februar)

Schrecklich, tragisch. Diese Geschichte um das entführte Mädchen. Und trotzdem lässt das Ganze einen ziemlich unberührt bei der Premiere von „One Minute" im Theater Phönix.

Erfolgsautor Simon Stephens (*1971) - derzeit am Burgtheater Wien mit „Motortown", bei den Salzburger Festspielen mit „Harper Regan" vertreten - hat „One Minute" mit kurzatmigen Dialogen in Form naturalistischen Theaters geschrieben. Er baut die Geschichte so auf, wie wir sie aus TV-Krimis kennen. Wir wissen, dass etwas Schreckliches passiert ist - und sind nun Zeugen der Ermittlungen und Befragungen. Stephens hat zwar Figuren erschaffen, aber nicht gründlich an den Charakteren gefeilt. So bleiben sie im Verlauf des Abends seltsame Fremde, die uns nicht nahegehen. Regisseur Volker Schmidt versucht, die Nervosität des Stückes mit Stottern, fahrigen Gesten und ruhelosen Blicken der Darsteller und unzähligen Kaffeetassen zu übertragen - das macht einen beim Zusehen selbst schon nervös. Georg Lindorfer hat eine Bühne in der Art eines sich in die Höhe schraubenden Laufsteges gebaut, was viele Ort-Assoziationen zulässt. Die Damen aber ständig darüber stöckeln zu lassen, stört die Textverständlichkeit und spricht in dieser Gehäuftheit nicht für Einfallsreichtum. Dem Detective Burroughs gibt Matthias Hack ein bisserl patschertes Columbo-Gehabe, sein Kollege wird von Theo Helm mit wienerischem Singsang und unerklärlichen Wutanfällen ausgestattet. Klar, dass eine Mutter, deren Kind entführt wurde, am Rande des Nervenzusammenbruches agiert: Das tut Melanie Herbe auch. Hysterikerin, die irgendwas verbergen will, mimt Judith Richter (in lässige Eleganz gekleidet von Cornelia Kraske). Unbedarfte Naive ist Lisa Fuchs. Stark die Musik von Spieldosen-Geklimper bis Klanggewitter.

Das Mädchen im blutbepatzten weißen Unschuldskleid immer wieder schweigend auftreten zu lassen, darüber ließe sich sicher diskutieren. Ich habe es aber weder erleuchtend für das Geschehen noch berührend empfunden, sondern schlichtweg überflüssig.

Silvia Nagl, OÖN, 01.03.2008

Eine Kindesentführung, die das Publikum kalt lässt

Österreichische Erstaufführung: Kindsmorddrama „One Minute“ (2003) des jungen Briten Simon Stephens im Linzer Theater Phönix

Eine Minute. Solange wird bei öffentlichen Trauergedenken üblicherweise geschwiegen. Auch im fiktiven Fall der verschwundenen Daisy Schults wäre das wohl so. ln „One Minute“ einem weiteren Beispiel junger anglistischer Dramatik, .ob aus der Feder von Mark Ravenhill oder hier von Simon Stephens (37); wird das 11-jährige Mädchen im London des Jahres 2001 vermisst. Doch die Fahndung zweier Polizisten nach der kleinen Daisy läuft hier nur im Hintergrund ab, im Vordergrund stehen die Begegnungen fünf einander vorher großteils unbekannter beteiligter Personen. In der Inszenierung des Wieners Volker Schmidt gerinnen diese zu furchtbar belanglosen Szenen aus dem Großstadtalltag. Aus „One Minute“ werden zähe 90 Minuten. Daisys Schicksal lässt das Publikum dabei ebenso kalt wie ihre Dozenten-Mutter. Ja, eine Stunde lang wird nicht einmal so recht klar, wer von den drei Akteurinnen denn eigentlich die Mutter ist, so „gefasst“ und unglaubwürdig wird sie von Melanie Herbe verkörpert. Aber auch die anderen Figuren gewinnen kein Leben, weder Matthias Hack als solider Chefinspektor, noch Theo Helm als sein aufgedrehter, „proletarischer“ Adlatus. Am eheste gehen noch Judith Richter und Lisa Fuchs als lesbisches Zufallspärchen durch. Nichts dafür kann die herzige Daisy-Darstellerin, dass sie, obwohl verschwunden, fast ständig neben den handelnden Personen auf der Bühne stehen muss: Um zum Ausdruck zu bringen, wie sehr alle ständig an sie denken, hätte man ruhig auf den Dialog vertrauen können. Ein veritabler Fehlschlag diesmal also mit einem Stück, das offenbar so gar nicht zum üblicherweise recht guten Phönix-Ensemble passt. Daran vermochte auch das großartige und -formatige Bühnenbild von Georg Lindorfer nichts zu ändern.

Andreas Hutter, Neues Volksblatt, 01.03.2008

Trauer and the city

Kritik: Simon Stephens „One Minute“ im Phönix

Ungewöhnliches Stück aber Kindesentführung, österreichische Erstaufführung von Simon Stephens „One Minute“ im Linzer Theater Phönix.

Linz. One Minute, eine Geschichte über ein vermisstes Kind, vom britischen Autor Simon Stephens ist 2003 erschienen und uraufgeführt worden. Jetzt hat die Theaterwirklichkeit die Realität eingeholt. Während wir um Maddie McCann bangen und der Fall Natascha Kampusch erneut eine groteske Wendung nimmt, sehen wir One Minute auf der Bühne.

Verloren. Österreichische Erstaufführung war am Donnerstag im Linzer Theater Phönix. Stephens will keine Kriminalgeschichte erzählen. Nicht einmal die vermisste Daisy steht im Zentrum. Sie spukt auf der Bühne nur als Geist (Franziska Silgoner) herum, der nicht in die Handlung eingebunden ist. Die Hauptrolle spielt vielmehr ein Themenkomplex: Trauer, Einsamkeit und Trost.

Dieser wird anhand von fünf Menschen, deren gemeinsamer Nenner Daisy ist, personalisiert. Fünf Prototypen für das anonyme Leben in der Großstadt. Regisseur Volker Schmidt greift kaum ein und lässt den Schauspielern Raum, in die Figuren hineinzuschlüpfen.

Das funktioniert manchmal bestens, etwa bei Marie Louise. Judith Richter spielt diese reiche Frau mit veritablem Schaden zwischen Manie und Weinkrampf. Sie glaubt, Daisy am Tag ihres Verschwindens gesehen zu haben, und macht bei der Polizei falsche Angaben. Das ermittelnde Polizisten-Duo ist mit Matthias Hack und Theo Helm gut besetzt. Hack arbeitet den unzufriedenen Alkofix, der seinen Frust im Pub wegspült, präzise heraus. Dem unerfahrenen Rookie mit Beziehungsproblemen gibt Helm ein sympathisches Gesicht. Melanie Herbe nimmt man die trauernde Mutter nicht ganz ab, sie bleibt farblos. Hingegen übertreibt es Lisa Fuchs manchmal bei ihrer Darstellung der Kellnerin Catherine.

Georg Lindorfers Bühnenbild wandelt sich mühelos vom Hafengebiet zur Wohnung, zum Pub oder zum Polizeirevier. Applaus vom Premierenpublikum.

Inez Pölzl, Österreich, 01.03.2008

One Minute ist der Titel des Stücks von Simon Stephens, das im Theater Phönix zur österreichischen Erstaufführung kam. One Minute, das ist auch der Zeitraum öffentlicher Trauer. Das Mädchen Daisy ist verschwunden. Der Leiter des Fahndungsteams kann der Mutter trotz eines Großeinsatzes keine Hoffnung machen, über Monate zieht sich der Fall dahin. Die Ratlosigkeit ist am Ende genauso groß wie am Anfang. Doch der Fall als solcher steht nicht im Mittelpunkt des Interesses des Autors. Vielmehr möchte er die zufälligen Beziehungen darstellen, die im Rahmen dieser Suche entstehen, sich intensivieren, sich lockern, enden.

Volker Schmidts Inszenierung bemüht sich, diese Zufälligkeiten auf der weitläufigen Rampe, die Georg Lindorfer auftürmen lässt, mit weiten Alleingängen, Begegnungen und Trennungen choreographisch zu verdeutlichen, was generell gut gelingt, mit langweilig-repetitiven Elementen wie der exzessiven Verwendung des Kaffeeautomaten den Abend aber auch zerdehnt, zerstreut. Matthias Hack gibt Detective Inspector Gary Burroughs als den harten, lieber allein kämpfenden Schweiger, der zuviel hinunterschluckt. Theo Helm ist als Detective Constabel Robert Evans guter Partner und Kontrast: eine unerfahrene, dauerquasselnde Nervensäge. Melanie Herbe spielt Dr. Anne Schults, die Mutter des Mädchens, gefasst und gebildet, die hinter ihrer beherrschten Fassade doch immer wieder die Verzweiflung über das ungewisse Schicksal des Kindes durchscheinen lässt.

Catherine Denham ist Bedienung im Lieblingspub des Inspectors, von Lisa Fuchs lebenslustig, realistisch und doch sensibel dargestellt, Marie Louise Burdett deren Freundin, vermögend, verwöhnt und etwas hysterisch, von Judith Richter mit ausreichend Zickigkeit versehen. Und immer wieder kreuzen sich ihre Wege mit der gespenstisch herumirrenden Daisy.

Christian Hanna, OÖ Kulturbericht, 01.04.2008