Volksvernichtung

oder meine Leber ist sinnlos

Sujet: Werner Schwab
Premiere:
08.12.1992
Dauer:
-
Spielstätte:
Saal

Besetzung



Kostüme
Karin Kosak

Musik
Einstürzende Neubauten, Jim Foetus, Gore

Lichtgestaltung
Erich Uiberlacker

Dramaturgie
Franz Fend

Monika Tajmar
Monika Tajmar
Dietmar Nigsch
Dietmar Nigsch
Ingrid Höller
© Margit Berger
Ingrid Höller
Helmut Fröhlich
© Eisterhuber, Leisch
Helmut Fröhlich
Maria Schwarz
Maria Schwarz
Susanne Lietzow
Susanne Lietzow
Renate Köhn
Renate Köhn

Inhalt

Das Personal der Volksvernichtung gleicht der alltäglichen Horrorshow, die wir Tag für Tag erleben. Der blanke Horror, der nicht in der Außergewöhnlichkeit sondern in der Normalität liegt.

Hermann Wurm, verhinderter und psychisch wie physisch verkrüppelter Künstler, der sich immer wieder auflehnt gegen die Knute seiner Mutter. Das wirkliche Leben dieser ausgemergelten Weibsperson ist schon längst verblüht. Das wirkliche Leben hat eigentlich immer nur in ihrem Hirn existiert und ihre jetzige Existenz besteht nur aus Jammern über ihren verblichenen Mann und Nörgeln über ihren Krüppelherrmann. Und Herrmann, schnapstrinkender Malkünstler will mit seiner Grazkunst hoch hinaus, wird aber nicht zuletzt von seiner Würmermutter und der gesamten Hausgemeinschaft immer wieder tatkräftigst daran gehindert. Dafür hasst Herrmann seine Würmermutti und sie ihn wieder. „Ich bin der erste Mensch über dir, der es begrüßen täte, wenn die Welt sich ein Loch freigeben würde, in das du dich hinunterlassen könntest“, verwünscht die ausgemergelte Alte ihren Sohn. Aber niemand wird von der Erde verschlungen, und auch keinem wird ein Loch in den Klopf gebohrt. Das alles besorgt schlussendlich Frau Grollfeuer, die die ganze Hausgemeinschaft mit ihrem Sprachgift zur Strecke bringt.

Aber Werner Schwab erspart vorher nicht den Blick in eine andere Etage dieses dubiösen Zinshauses. Zur Familie Kovacic: „wo eine Familie ist, da gibt es keinen ungeküssten Menschen. Wo eine Familie ist, da gibt es eine Wirtschaft, und wo eine Wirtschaft aufmarschiert, da klettert ein Staat empor, und wo ein Staat zuhause ist, da kehrt das Leben heim in eine Ordentlichkeit.“ Sagt Vater Kovacic, ein selbsternannter Dummsozialdemokrat, der sich gern aufgepeitscht vom allabendlichen Alkoholgenuss und seinem Hass auf die Grollfeuer „die Drecksau, die alte … die Schlammfut, die verfaulte“, und an seinen abergeilen tierlieben Töchtern vergreift.

Diese Kovacic-Familienwirtschaft ist Schwabs Vision einer kleinbürgerlichen bewohnzimmerten Monstrosität. Eine alkoholisch aufgepeitschte Normalität mit Inzest, Hamstermord und was sonst noch alles dazugehört, weil, so Kovacic „zum Glück die Zeit modern und aufgeschlossen ist, wie ein eisernes Haustor“.

Bei der zur Überraschung aller angesetzten Geburtstagsfeier der Haustyrannin Grollfeuer strebt die sprachliche Volksvernichtung mit großen Schritten dem Höhepunkt zu: „Alles geladene Material hat pflichtgemäß platzgenommen und frisst sich voll bis obenhin.“ leitet die vornehme alte Grollfeuer ihre Abrechnung, die schließlich in der Vergiftung aller Hausbewohner gipfelt, ein. Eine Abrechnung, die alle Höhen und Tiefen eines alkoholischen Schwurbels durchlebt, unterschiedliche Allianzen eingehend vor allem mit Herrmann, dem sie die größte Dosis Gift verabreicht hat, damit er nicht allzulange leiden muss. Eine Abrechnung mit ihrem Lebensfrust, ihrem längst verstorbenen Ehemann, dem „elenden deutschen Windhund“, den immer lärmenden Hausgenossen, und klarerweise mit ihrer sinnlosen Leber: „Man trinkt sich hinein in ein Verständnis. Meine Leber war umsonst. Meine Leber ist sinnlos.“

Aber das wirklich gemeine an Schwabs Radikalkomödie ist, dass er die soeben hingemetzelten Hausbewohner wieder auferstehen lässt und in schmieriger Eintracht Grollfeuers Fest zu Ende bringen lässt. In widerlicher Harmonie, normaler Alltäglichkeit.

Einblicke

Werner Schwab
© Werner Schwab